Zuwanderung nach Deutschland

Position des Netzes gegen Rassismus zum Bericht der Unabhängigen Kommission Zuwanderung der Bundesregierung

Grundsätzliche Einschätzung der Ergebnisse

Die Unabhängige Kommission Zuwanderung der Bundesregierung hat heute ihren Bericht mit dem Titel "Zuwanderung gestalten - Integration fördern" veröffentlicht. Im Bericht werden Vorschläge zur zukünftigen Gestaltung der Ein- und Zuwanderungspolitik und zur Aufnahme von Menschen aus humanitären Gründen gemacht. Damit leistet die Kommission einen wichtigen Beitrag zu einer längst überfälligen Versachlichung der häufig partei- und wahltaktisch geführten Diskussion.

Das "Netz gegen Rassismus, für gleiche Rechte" begrüßt, dass sich die Kommission vom jahrzehntelang geltenden Dogma "Deutschland ist kein Einwanderungsland" verabschiedet hat. Die eingewanderten Arbeitsmigranten und ihre Familien sind zu einem festen Bestandteil der Gesellschaft geworden. Sie tragen gemeinsam mit den Flüchtlingen in erheblichem Maße zur Sicherung des Lebensstandards aller Einwohner bei. Dennoch werden sie häufig ausgegrenzt und diskriminiert. Mit der Klarstellung, dass auch in Zukunft Einwanderung nach Deutschland erfolgen wird und mit der Forderung die Einwanderungsgesellschaft zu gestalten, leistet die Kommission einen wichtigen Beitrag zum Abbau von Vorbehalten und Vorurteilen gegenüber Migranten und Flüchtlingen. Dieser sollte - wie die Kommission vorschlägt - durch eine breit angelegte Informationskampagne unterstützt werden. Die politischen Parteien sollten jetzt ihren Beitrag leisten und - wie vom Netz gegen Rassismus bereits im letzten Jahr im Aktionsplan gegen Rassismus gefordert - konkrete Schritte für eine politische "Mainstreaming-Strategie gegen Vorurteile, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, für Akzeptanz und Gleichbehandlung" einleiten.

Die Zuwanderungskommission empfiehlt ein nationales Konzept zur Arbeitnehmerzuwanderung. Sie verkennt dabei erstens, dass Migrationsprozesse nicht national zu gestalten sind und zweitens innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ein gemeinsamer Arbeitsmarkt mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer besteht. Der Amsterdamer Vertrag ist die Grundlage für eine europäische Migrations- und Flüchtlingspolitik, entsprechende - weitgehend positive Vorschläge, z.B. zum Aufenthaltsstatus von langjährig in der EU lebenden Drittstaatsangehörigen oder zu den Mindeststandards für das Asylverfahren liegen bereits vor. Diese sind bei der Umsetzung des angestrebten Paradigmenwechsel in der deutschen Migrationspolitik stärker zu berücksichtigen.

Deutschland muss - insbesondere aufgrund seiner historischen Verantwortung und der Verpflichtung zur Einhaltung der Menschenrechte - auch in Zukunft von Verfolgung und Vertreibung Betroffenen Zuflucht gewähren. Die Aufnahme von Flüchtlingen darf nicht weiter eingeschränkt werden oder gar wegen der Notwendigkeit der Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen kontingentiert werden. Im Gegenteil: Es bestehen erhebliche Schutzlücken, gerade bei der geschlechtsspezifischen und nichtstaatlichen Verfolgung. Die Organisationen des Netzes kritisieren, dass die Kommission diese Schutzlücken zwar erkennt, sich aber nicht zu einer gemeinsamen Empfehlung durchgerungen hat. Das Netz fordert daher die politisch Verantwortlichen auf, bei der Umsetzung des Berichts die nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung als Anerkennungsgründe für die Gewährung von Asyl aufzunehmen.

In der politischen Diskussion wird Asylbewerbern und Flüchtlingen vorgeworfen, sie würden das Asylrecht "missbrauchen". Auch die Zuwanderungskommission verzichtet nicht auf den Begriff des "Asylmissbrauchs", obwohl sie selbst erkennt, dass der Begriff geeignet ist, Asylbewerber zu diffamieren. Die Organisationen des Netzes sind der Auffassung, dass die Verwendung derartiger Begriffe rassistische Einstellungen befördern und in den Augen der Täter fremdenfeindliche Angriffe legitimieren. Daher fordern sie die politisch Verantwortlichen in diesem Land auf, Menschen, die aufgrund des geltenden Asylrechts keine Anerkennung als Asylberechtigte bekommen, nicht länger auszugrenzen und mit Straftätern gleich zu setzen.

Die Kommission spricht sich für eine gestaltende Öffnung für die Einwanderung von Arbeitskräften, Auszubildenden und Studenten aus. Die Organisationen des Netzes unterstützen einen Perspektivenwechsel von der bisherigen auf Abwehr ausgerichteten Einwanderungspolitik hin zu einer Gestaltung der Migrationspozesse. Zu kritisieren ist allerdings, dass die Kommission neben den neuen Möglichkeiten die bisherigen Regelungen zur Anwerbung von Arbeitskräften beibehalten will. Diese fördern nicht die Akzeptanz von Einwanderung in der Bevölkerung und widersprechen dem selbst gesteckten Ziel, die Einwanderungsregelungen durchschaubarer zu gestalten.

Die Kommission fordert ein integrationspolitisches Gesamtkonzept, dass gesetzlich fixiert werden soll. Integration bedeutet aus Sicht der Organisationen des Netzes nicht Anpassung oder die Aufgabe der eigenen Identität sondern hat das Ziel eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben zu ermöglichen sowie den Respekt vor der kulturellen Vielfalt zu fördern. Integration ist ein Prozess, dessen Start möglichst mit der Einreise beginnen soll, aber Integration hat kein Ende, dass mit einer - wie auch immer gearteten Prüfung oder der Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft abgeschlossen wird.

Die Organisationen des Netzes begrüßen daher im Grundsatz die integrationspolitischen Vorschläge der Kommission. Die Beratung und die Möglichkeiten zur Teilnahme an Integrationskursen sind wichtige Schritte zur Erreichung der Ziele. Es sollten aber nicht nur Einwanderer mit einer Daueraufenthaltsperspektive ein Angebot erhalten sondern auch Migranten, die bereits länger in Deutschland leben, sowie Flüchtlinge und Asylbewerber.

Wer Integration will und fordert, dass die Einwanderer die deutsche Sprache erlernen, der muss zunächst ein ausreichendes Angebot schaffen, statt über Sanktionen zu philosophieren. Die derzeitigen Angebote jedenfalls, beispielsweise für Sprachkurse, sind dazu in keiner Weise ausreichend.

Der Perspektivenwechsel in der Einwanderungspolitik hätte verbunden werden müssen mit einer grundlegenden Veränderung der administrativen Strukturen. Der Vorschlag, das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit den Aufgaben der Einwanderung und Integration zu betrauen, ist nach Auffassung der Organisationen des Netzes kontraproduktiv; das Amt ist nicht geeignet, die geforderte Umgestaltung der Einwanderungs- und Integrationspolitik glaubwürdig zu unterstützen.

Die Umsetzung eines notwendigen Paradigmenwechsels in der Einwanderungs-, Flüchtlings- und Integrationspolitik bedarf nicht nur der Veränderung rechtlicher Regelungen für die Einreise und der Maßnahmen zur Integration der Neuzuwanderer. Erforderlich ist auch eine veränderte Haltung gegenüber den bereits lange in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten, sowie ihrer Kinder und Enkel. Statt ständig über Defizite zu sprechen, sollten ihre Kompetenzen und Leistungen anerkannt werden. Die Gestaltung einer Einwanderungsgesellschaft in Deutschland - und im übrigen auch der gesamten Europäischen Union - muss nach Auffassung der Organisationen des Netzes gegen Rassismus verbunden werden mit gesellschaftlichen Veränderungen und einem Abbau des strukturellen Rassismus und der Ungleichbehandlung. Nur so kann eine Akzeptanz für eine zusätzliche Einwanderung in der Bevölkerung geschaffen und Fremdenfeindlichkeit und Rassismus abgebaut werden.

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