Posten nach Wahl

Bei euch bleibt alles, was ich kannte:

die oft gebrauchten Wörter,

gemütliches Flair der Salons bei den Treffen,

banal der Dunst beim Stammtisch in Cafés,

eure Festlichkeiten, eure Frivolität,

gebügelt euer Anzug,

das Würfelspiel, um die Zeit totzuschlagen,

der Flirt ohne Bedeutung,

das altbekannte "Ich-werd-dich-morgen-anrufen",

das "Das-hätte-noch-gefehlt"

und das obligate "Lassen-Sie-es-sich-gut-gehen".

Posten nach Wahl, ich wähle

die Einsamkeit ohne Reinfall,

die Einsamkeit in Kenntnis,

die Einsamkeit in Fülle.

Ich bleib bei meinen Büchern,

bei meinen Abenden allein auf dem Lande,

bei der Zurückgezogenheit und Stille des Waldes,

bei den schweigenden Stunden meiner Arbeit,

bei der Zuneigung zu dem so fernen Freunde,

bei dem stets schmerzlichen Lächeln,

voll Sorgen,

die ich hab,

und dem verlorenen Blick auf irgendeine Stelle.

Heleno SañaAus dem Spanischen übersetzt von Jaime Salas

Manchmal bin ich der Kaffeemann

sagte Ottmar P., Stadtvagabund

und Arbeit ist der Schlüssel zu allem

Aber die Menschen verschlingen einer den andem

deswegen ging mein Nachbar in seiner Datsche

der die Blumen liebte, in voller Lebendigkeit in den Strick

Am Bahnhof, Parkplatz, stellt er sich mir in den Weg Seine Augen ruhig: zwei kleine dunkle Seen Lächeln zugedeckt vom Bart. Hast du mal nen Euro? Auch bei ihm sind wohl die Preise gestiegen kenn die Frage nur mit einer Mark Reicht mir seinen Flachmann, Spiritus asperio sucht noch einen, der mitschwiemelt aus Solidarität nicht aussieht, ihn bei einer günstigen Gelegenheit bewußtlos zu schlagen um an sein vielleicht verstecktes Zwei-Euro-Stück zu gelangen Aber ich will nicht seine Taschenklappen lüften lassen Geb ihm den Euro den ich mir für den Parkuhrschlitz zurechtgelegt hab um nicht steinherzig zu erscheinen, verdächtigt zu werden mit den anderen unter einer Decke zu stecken Zufrieden klopft er mir auf die Schulter Kipp nix, sag ich, auf meine gesunden Nieren zeigend: mein Sparbuch! Versteh, sagt er. Was machst du? Gedichte, Geschichten schreiben, sag ich Hey, super, sagt er, mich anrempelnd Der Dichter steht immer auf der Seite der Schwachen, sonst ist er keiner, nur ne Modepuppeohne Inhalt - ewige Wiederkehr des Neuen - Bin schon betrunken, wenn ichs bin, red ich immerwie mir zumute ist Aber sich demütigen, warten, bis ich wieder ohne Stoff bin Einige Male Gorbi gerufen. Was ist daraus geworden? Haben sich unsere Seelen geöffnet? Ist der Mensch ein Bruder dem Menschen? Gleich unter seinesgleichen? Nichts gekonnt als jetzt Stütze zu empfangen mit über fuffzig Endlos-Elend-Schicht auf höherem Niveau umgeben von Aufgegebenen, A-Sozialen Was dreißig Millionen täglich erschaffen gehört fünf Prozent der Menschen hierzulande Barrieren! Barrieren!Hausfest verboten, sagt der neue Wirt aus Oberursel Was gegen Kollektive? fragte ich Habt ja gesehen, wohin das führt Knallbummpeng. War baff über seine Antwortkann mich nicht einmal mehr ausbeuten lassengehe niemanden was an, fürs Kapital überflüssig geworden ... kein Gold, kein Rohöl, keine Diamanten in mir - unerreichbar für mich eines der dreißig Millionen Arbeitsplätzedie das Land zu bieten hat - Meine Füße laufen manchmal inmitten einer fehlenden Menge um den Ring kenn keine Scham, ruf, schrei, ein Streifenwagen der mir folgte, aber ich war wohl nicht gemeint Schweigen -, viele haben sich verkrümelt in die voll Power-Rock schönen Chevrolets(alle Gedanken darin verpackt), segeln an mir vorübergehn zu Honky Tonk, zur Poke Mon Championshipim Kaufhaus HortenVon vorn wieder, ohne gesiegt zu haben, zertretenmanchmal im Pulk, in Uniform der Trauer am Connewitzer Kreuz, vor der Südbrauseam Werk II, vorbei an Papierkörbenentlang an Bordsteinkanten, unter der Kameraeinäugige Stummheit, hängend an Computern die die Vibrationen grauer Zellen unter der Gehirnschale durch deine Schritte verarbeiten, beherrschen, chiffrieren für die neuen Dossiers. Barrikaden nicht mehr möglich Gott im Amt für StaatssicherheitBörsentabellen, Wertpapiere, InvestmentfondsPrivateigentum ein institutionelles Instrument gegen Mobder in Vorstädten lauertAber ich bin noch nicht groß aufgefallen Danach in meiner Spezies gemäßen CafŽ als käm ich von einem langen Spaziergang zurück find die Espresso vor, die sofort anfängt zu zischenwenn sie mich sieht Manchmal bin ich der Kaffeemannbedien die Kumpels, arbeitslose NichtseLeere in Gesichtern, gefangen in einem Gemütszustand hinter Mauern, im Verborgenen weniger wert als das Gewicht ihres Fleisches immer mit derselben Gebärde, mit den gleichen Lautenwie Hund und Katze, die sich selbst wiederholen einer Doktor, vom Feuer ausgefressen, Sexualität gleich null dem es den Verstand in mehrere Teile gehauen hat redet bloß noch über Freiheiten der Langeweile Korbblütler in seiner Wohngeldbehausungverstreut auf Bücherkisten um sein Harakiri-Schwert von Karstadt, Geruch nach Cannabisnur von einem Gemisch aus Gänseblümchen, Kamille Wird sich eines Tages noch mit Marihuana vollpumpen ein anderer, überwiegend beschäftigt mit Filatelie Würfelschwung, Kartenspiel filosoiFlert über die längst beantwortete Frageob es noch lebende Demonstrationen marxistischer Theorie gibtKeiner mehr bereit, ein Highlight zu organisieren auf dem Nikolaiplatz (Friedenssäule) ein Transparent zu enthüllen den Muskel zu bewegen, der die Faust erhebt weil andere Dinge über Dinge tun, die zu nichts nütze sindBin schon Zyniker geworden (sicherer Bürger der Gesellschaft)Les viel Hefte, BILD (ich weiß wenn die gute Sprache aufhört, beginnt Barbarei)Dennoch zähl ich gern die Toten aufjeder Seite Neulich konnte man sie nicht überblicken waren es über fünftausend in Manhattanhat mich tief erschüttert, Independence Day oder wie Nagasaki Aber wer immer den Tod schickt aus dem Himmel auf Schurkenstaaten - Part im Lebensspiel - um der Erde goldenes Öl zu melken derweil Hunger, Aids übern Boden kriechen stillsitzen vor Hütten aus Büffelmistziegeln wen wunderts, daß Dschorsch Dabbljuüber nichts Gewalt hat, wenn sie wie eine höllische Axt in die höchsten Türme, in den Pentagon zurückfliegtKaufte manchmal die Kippe*, euterfrei kauere um meine Frau, die im Bett, weil sie bis ans Filter rauchtelichterloh in Flammen aufging Trag ein schweres Buch in meiner Brust, schwerer als alles was zur Zeit geschrieben steht: ein kaum sich bewegender Schmerz bis zu den Zähnen die hinteren fallen schon aus, inmitten von Schweigennackt wie die Ohnmacht, die ich nicht wollteleer wie der Tod, wüst wie erWas wir hatten, war kein SozialismusWenn wir wenigstens wieder hätten was er nicht war

Reinhard Bernhof

* Armenzeitung in Leipzig

Einfache Wahrheit

Mit vollem Mund spricht man nicht,

hatte meine Großmutter immer gesagt.

Wie bitte, hätte ich wissen sollen,

daß es so viele Arten geben könnte,

mir und meinen Landsleuten

das Maul zu stopfen.

Mit vollem Mund spricht man nicht.

Meine Großmutter behielt recht

Michael Mäde

Schlaflos in D.

Die Faschisten grölen unterm Fenster,

etwas vom nationalen Widerstand.

Beklommen folge ich ihren bizarren Schatten

an der kahlen Wand des Hotelzimmers.

Ich Kämpfer, die Decke gezogenbis zum Hals,

hoffe, daß sie endlich weiterziehen.

Başa dön
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