Türkische Rechtsradikale

Die Historie der türkischen Rechtsradikalen in der Bundesrepublik geht weit zurück in die Anfänge der siebziger Jahre und ist eng verbunden mit den Machenschaften der Partei der Nationalistischen Bewegung, kurz MHP genannt. Die MHP hielt ihren ersten »kleinen Parteitag« schon 1969 in der Bundesrepublik ab und konstituierte den Europarat der MHP. Diese fungierte als offizielle Auslandsvertretung der Partei. Am 9. April 1973 legalisierte sich die MHP Auslandsvertretung mit ihrer Anmeldung bei dem Ordnungsamt der Stadt Kempten. Bis Ende Juli 1976 organisierte die MHP ihre Parteiarbeit legal und mit Wissen der bundesrepublikanischen Behörden. Die pro forma Auflösung der Auslandsvertretung am 28. Juli 1976 war keineswegs von deutschen Behörden gewollt, sondern eine logische Folge eines Urteils des türkischen Verfassungsgerichts. Diese hatte die MHP aufgefordert, ihre Auslandsorganisationen aufzulösen, da gegen sie sonst Parteiverbot verfügt werden könnte. Trotz der offiziellen Auflösung war die MHP Auslandsorganisation weiterhin aktiv. Dabei wurde sie von der CDU und CSU unterstützt. So konnte dann am 17. – 18. Juni 1978 in Schwarzenborn nähe Bad Hersfeld die »Föderation der Demokratisch – Idealistischen Türkischen Vereine in Europa«, die sogenannte »Türk Föderation«, gegründet werden. Bis zur Abspaltung im Jahre 1987 war eine einheitliche Organisation vorhanden.

Heute werden, wenn von türkischen Rechtsradikalen oder Neofaschisten in der Bundesrepublik die Rede ist, vor allem drei Organisationen genannt: Die »Türk Föderation«, die »Union der Türkisch – Islamischen Vereine in Europa«, kurz ATIB und die »Föderation der Weltordnung in Europa«. Trotz der Abspaltung und einigen politischen Meinungsverschiedenheiten begründen sich die Ideologien beider Organisationen auf dem panturkistischen Doktrin des Neofaschistenführers Alparslan Türkes.

Alparslan Türkeş und die MHP

Türkeş ist der unumstrittene Führer der neofaschistischen Bewegung in der Türkei. Er forderte von seinen »Grauen Wölfen« absoluten Gehorsam und Unterwerfung. Dies machte er mit seinen berühmten Worten deutlich: »...Wenn ich in unserem Kampf fallen sollte nehmt unsere Fahne und wendet euch nach vorne. Wenn ich zurückweichen sollte, dann erschießt mich. Erschießt jeden, der sich von unserer Sache abwendet!«

Die neofaschistische MHP hat als politisches Programm die »Neun – Lichter – Doktrin« von Türkeş angenommen. Alparslan Türkeş behauptete, daß die türkische Nation ihre Zukunft nur mit der »Neun – Lichter – Doktrin«, die das nationalsozialistische Modell panturkistischer Prägung beinhaltet, gestalten könne. Die Grundsätze der »Neun – Lichter – Doktrin« benannte Türkeş wie folgt:

1. Nationalismus

2. Idealismus

3. Ethik

4. Sozialismus

5. Wissenschaftlichkeit

6. Liberalismus und Individualismus

7. Agrarismus

8. Fortschrittlichkeit und Populismus

9. Industrialismus

Obwohl diese »Neun – Lichter – Doktrin« als eine Idee von Türkeş bekannt ist, stammt sie nicht von ihm. Türkes übernahm die ideologische Arbeit von Mürşit Altaylı und Nihal Atsız - beide verbissene Vertreter des türkischen Rassismus und Anhänger des Nationalsozialismus – und machte sie sich zu eigen. Altaylı und Atsız waren genau wie Türkeş loyale Mitarbeiter des Dritten Reichs. Wie wichtig Alparslan Türkeş für das Dritte Reich war, offenbart ein geheimer Bericht der Reichssicherheitspolizei an das Auswärtige Amt :

»Aus der Entwicklung der Kriegsführung ergibt sich die Notwendigkeit, Beziehungen in den pantürkischen und deutschfreundlich gesinnten Gruppen in der Türkei auszubauen und zu pflegen. Gerade in der Türkei bieten im Hinblick auf angrenzende Rohstoffländer solche Verbindungen Möglichkeiten, die sich in ihrer ganzen Tragweite nur aus dem Lande selbst überblicken lassen.

Die Türkei war für uns der wichtigste Lieferant für Chrom. Das Reich deckte 30% seines Bedarfes an Chrom, bis die türkische Regierung infolge der bekannten anglo – amerikanischen Note – bei gleichzeitiger Weiterlieferung an England, das 1943 allein 55.000 Tonnen Chrom erhielt – die Lieferung an Deutschland einstellte.

Die Zielsetzung des Feindes wird an diesem Beispiel voll erkennbar. Unsere Verbindungen müssen deshalb dringlich aktiviert werden. Die Voraussetzung für den Einsatz uns nahestehender Personen bieten die Verbindungen, die vormals vom Amt Ausland / Abwehr des OKW gepflegt wurden. Dabei muß auf die Schnelligkeit von Anfang an besonderer Wert gelegt werden, da die politische Haltung der türkischen Regierung für die nächste Zeit nicht voll kalkuliert werden kann.

Bislang bestand aufgrund ihrer Haltung gute Verbindungen zu folgenden Personen:

1. Alparslan Türkes – Absolvent einer Offiziersschule und Führer der pantürkischen Bewegung.

2. Tekin Ariburun – Absolvent einer Militärakademie in England und Attaché der Luftstreitkräfte im Deutschen Reich.

3. Sadi Kotschasch – mit politischen und militärischen Fähigkeiten.

Diese Türken verdienen nach wie vor unsere ganze Aufmerksamkeit. Sie nachrichtendienstlich zu nutzen, muß der Geschicklichkeit und der persönlichen Initiative der im diplomatischen Dienst stehenden V – Männer überlassen bleiben. Es steht jedoch erwiesenermaßen fest, daß bei richtigem Einsatz dieser Personen unerschöpfliche Möglichkeiten bestehen, die über die militärischen Interessen des Reiches hinausgehen.

Unter allen Umständen muß gesichert werden, daß diese Personen auf weite Sicht für Deutschland wirksam werden können. Das Auswärtige Amt wird daher gebeten, über die Deutsche Botschaft in Ankara in geeigneter Weise die Verbindungen zu solchen Persönlichkeiten und Gruppen, speziell zu den genannten, zu halten und auszubauen.«

Der loyale Kollaborateur des Dritten Reiches machte schnell eine große Karriere. So konnte er, nach dem er die »Partei der Republikanischen Bauernnation« erfolgreich unterwandert hatte und den Namen der Partei in MHP umänderte, seine neofaschistischen Positionen etablieren. Aufgrund des kalten Krieges und des zunehmenden Einflusses der erstarkten Arbeiter- und Studentenbewegung der Türkei war ihm die Unterstützung der wahren Machthaber sicher.

Schon im April 1975 wurde Türkeş stellvertretender Ministerpräsident der am 1. April 1975 gegründeten Regierungskoalition des Nationalistischen Fronts . Dieser Koalition gehörten neben der MHP als kleiner Koalitionspartner die Gerechtigkeitspartei des heutigen Staatspräsidenten Süleyman Demirel und die islamistische Nationale Wohlfahrtspartei des Necmettin Erbakan an. So begann die »MHPisierung« des gesamten Staatsapparats. Die in dieser Zeit erfolgte Sensibilisierung der demokratischen Öffentlichkeit durch die antifaschistischen Kräfte der Türkei war ein Grund für die Modifizierung der »nationalsozialistischen« Äußerungen von Türkeş. Nicht der Inhalt dieses Begriffs, sondern mögliche Stimmenverluste im Wahljahr 1977 hatten Türkeş zu diesem Schritt gezwungen. In dem Parteiorgan »Devlet« (Staat) Jahrgang 1977, Nr. 405 schrieb er dazu folgendes:

»... Wir sind keine Nationalsozialisten. Wir sind keine Nazis, keine Faschisten. Aufgrund des Mißbrauchs unserer Feinde haben wir ein Befehl erlassen und den Begriff Nationalsozialismus verboten. Ihr habt euch nicht mehr als Nationalsozialisten zu definieren. Das würde uns zu ungerechtfertigter Kritik unserer Feinde preisgeben. Daher haben wir diesen Begriff verboten. Es wird nur noch der Bergriff ‚Neun – Lichter – Doktrin‘ verwandt.«

Der überzeugte Nationalsozialist Türkeş versuchte durch solche öffentlichen Äußerungen, den Druck immer stärker werdenden Kritik von seiner Partei zu nehmen. Daher sah er sich gezwungen, auch seinen Rassenverständnis anderes darzustellen:

»... Unser Rassenverständnis hat keine Ähnlichkeit mit dem antropologischem Rassismus. Unser Rassenverständnis hat mit dem gewalttätigen und andere Nationen erniedrigendem Rassenverständnis nichts zu tun. Das Neun – Lichter – System definiert die Rasseneinheit anstatt antropologischem Rassismus, als ein seelisches Prinzip, als eine psychologische Sache. Das ausschlaggebende ist der Glaube an eine rassische Herkunft und die Zugehörigkeit an eine Nation. Jeder der nicht den Stolz einer anderen Rasse in seinem Herz trägt, sich aufrichtig als Türke fühlt und sich dem Turkismus opfert, ist ein Türke. Er ist von der türkischen Rasse und Nation.«

Dennoch steht der Versuch von Türkeş, mit »moderaten« Begriffen seinen Rassismus zu verschleiern, mit anderen Aussagen von ihm im krassen Widerspruch. So behauptet er, daß die »Rasseneinheit« genetisch bedingt ist und vom »Blut« abhängt: »Die Rasseneinheit ist der wichtigste Faktor der türkischen Nation. Unsere Rasse ist die türkische Rasse. Weil die Rasse eine natürliche und organische Gegebenheit ist, sind die mentalen und physischen Talente der Menschen unterschiedlich. Die türkische Rasse hat ihre eigenen Besonderheiten«. Eben diese »Besonderheiten« würden laut Türkeş die Türken zu einer »Herrenrasse« machen.

Als eine »Herrenrasse« hatten die Türken sieben Jahrhunderte lang die Welt beherrscht und als Khalifen die islamischen Länder geführt. Weil das muslimische Glauben in Anatolien immer ein wichtiger Faktor war, war daher es logisch, daß Türkeş den ehemals schamanistischen Panturkismus zu einer »türkisch – islamischen Synthese« umwandelte. Alles was »antitürkisch« und »antiislamisch« war, wurde bekämpft. Die Idealistenvereine (Ülkü Ocakları) wurden zu Kaderschmieden und zu Terrorzentralen umfunktioniert. Seine Grauen Wölfe verstanden sich als »Schützer des Staates« und liquidierten am laufenden Band Oppositionelle. Gleichzeitig wurden die Idealistenvereine zum Rekrutierungsfeld des türkischen Geheimdienstes und der berühmten Konterguerilla, dem türkischen »Gladio«.

Die Taktik von Türkeş war von Erfolg gekrönt. Auch 1977 wurde die MHP Regierungspartner der zweiten Nationalistischen Front. Mit dieser Regierung begann das Grauen und der neofaschistische Terror nahm zu. Bis zum Militärputsch vom 12. September 1980 fielen über 5.000 Menschen dem neofaschistischen Terror zum Opfer. Türkeş befahl persönlich die Ermordung von Persönlichkeiten wie Kemal Türkler, dem Vorsitzenden der Gewerkschaftskonföderation DISK. In mehreren Regionen, vor allem dort, wo die alewitische Bevölkerung konzentriert lebte, wurden Massenmorde begangen. Alleine in Maraş wurden an einem Tag im Januar 1979 111 Menschen bestialisch ermordet. Genau wie im Mai 1980 in Çorum, wo 58 Menschen an einem Tag ermordet wurden. Dieser Terror der Grauen Wölfe war ein Teil des Szenario, der zum Militärputsch vom 12. September 1980 führte. Obwohl bis zum Militärputsch fast die Hälfte der Türkei unter Kriegsrecht stand, fanden überall Mordanschläge statt. Mit der Machtübernahme durch die Generäle endeten diese Morde der Grauen Wölfe wie von Geisterhand und ein neues dunkles Kapitel der türkischen Geschichte begann.

Der Militärputsch hatte die neofaschistische Bewegung geschwächt. Als Türkeş vier Tage nach dem Putsch verhaftet wurde, sagte er verbittert: »Unsere Idee ist an der Macht, aber wir sind im Gefängnis«. Die MHP wurde verboten, Türkeş bekam politisches Betätigungsverbot und viele seiner Gefährten traten in die neu gegründeten Parteien wie die Mutterlandspartei (ANAP) von Turgut Özal ein. So konnten die langjährigen Türkes – Gefährten wie Agâh Oktay Güner (ANAP) und Yaşar Okuyan (ANAP) an ihrer »staatstragenden Karriere« weiter arbeiten. Die verhafteten Massenmörder wie Abdullah Çatlı , Haluk Kırcı, Oral Çelik und viele andere wurden von der türkischen Konterguerilla angeworben. Nach dubiosen Gefängnisausbrüchen wurden sie gegen türkische Oppositionelle in Europa und später gegen kurdische Intellektuelle im Inland eingesetzt. Auf deren Konto gehen zahlreiche Morde der letzten 15 Jahre. Erst durch den Verkehrsunfall von Susurluk wurden Einzelheiten über die Verwicklungen des türkischen Staates, der Grauen Wölfe und von ihnen dominierten kriminellen Banden der Öffentlichkeit bekannt.

Die heutige MHP

Die heutige MHP, die seit 1993 wieder diesen Namen angenommen hat, hat sich weitgehend mit dem türkischen Staat geeinigt. Obwohl die Partei bei ihrem Parteitag in 1994 ihre ideologische Grundformation noch mehr auf die »türkisch – islamische Synthese« gezogen hat, hat sie von ihrem aggressiven rassistisch – neofaschistischen Charakter nichts verloren. Die Rehabilitation ihres Verhältnisses zum Staat begründet sich in erster Linie mit der kurdischen Frage.

Weil die MHP weiterhin den Staatsapparat – insbesondere die Organe der Sicherheitskräfte – nutzen und der Staat die MHP benutzen wollte, haben sie zueinander finden können. Die kurdische Frage machte es möglich. Ihre staatstragende und jegliche Demokratisierung ablehnende Identität hat die MHP in die Nähe der offiziellen Staatsideologie gebracht. Das neue Verhältnis machte jedoch eine »Imageveränderung« der Partei notwendig. Aus diesem Grund wurde die laizistisch – westliche Linie in den Vordergrund gestellt. Die islamistisch orientierten und antiwestlichen Elemente wurden aus der Partei heraus gedrängt. Das war der eigentliche Grund, warum der ehemalige Vorsitzende der Idealistenvereine Muhsin Yazıcıoğlu, der im Gegensatz zu Türkeş die islamistische Linie vertrat, seine »Große Einheitspartei« (Büyük Birlik Partisi) gegründete. So begann die MHP sich noch mehr an den Staat anzulehnen. Privatisierung und neoliberalistische Wirtschaftspolitik wurde öffentlich zum Ziel der Partei erklärt. So wollten sie die Akkreditierung bei dem türkischen Großkapital wieder erlangen. Elitäre Kreise des Staatsapparats wurden in die Partei aufgenommen. Verwaltungsleute, Universitätsprofessoren, ehemalige Richter der Staatssicherheitsgerichte und Generäle offenbarten ihre Parteizugehörigkeit. Es hatte den Anschein, daß die MHP sich in das politische Zentrum begab. Dem war aber nicht so. Die Staatsideologie und das sogenannte Zentrum rückten dorthin, wo die MHP politisch beheimatet war.

Zu dieser Entwicklung hatte Alparslan Türkeş mit seinen »moderaten« Äußerungen – insbesondere nach 1992 – sicherlich vieles beigetragen. Der eigentliche Erfolg der MHP kam aber erst nach seinem Tod. Nach seinem Tod hat die Partei heftige Flügelstreitigkeiten erlebt, aber sich nach kurzer Zeit wieder gefangen. Mit der Wahl des Parteiideologen und »Backroundworker« Devlet Bahçeli zum Parteivorsitzenden im Jahre 1997 begann der unaufhaltsame Aufstieg der MHP. Während die Partei in den vorherigen Wahlen nur 8,7% der Stimmen erlangte und an der 10% - Hürde scheiterte, konnte sie bei den allgemeinen Wahlen am 18. April 1999 unter Führung von Devlet Bahçeli mit 19,6% der Stimmen die zweitstärkste Partei werden.

Die Kommentatoren der türkischen Medien sprachen von einer Überraschung und feierten den Helden vom 18. April 1999, den MHP – Führer Bahçeli. Diese ‚große Überraschung‘ war aber für informierte Kreise nichts Unerwartetes. Wie groß der Zulauf in die MHP war, hätte man während den fast tagtäglichen Beisetzungen von gefallenen Soldaten feststellen können. Jede Beisetzung, jede öffentliche Veranstaltung, sogar jedes Fußballspiel von nationaler Bedeutung wurde von immer mehr werdenden jungen Menschen mit »Grauer Wolf – Gruß« begleitet. Die Mehrzahl der heimkehrenden Soldaten waren MHP – Anhänger geworden. Genau wie die Familien der nicht heimgekehrten »Gefallenen«. In diesem Zusammenhang ist es interessant zu erwähnen, daß die MHP die meisten Erstwähler für sich gewinnen konnte und daß rund 70% der für die MHP abgegebenen Stimmen von unter 30 – Jährigen stammen.

Diese nationalistische Tendenz unter den türkischen Jugendlichen war seit langem bekannt und jeder erwartete den Wiedereinzug der MHP in das türkische Parlament. Die eigentliche Überraschung der Wahlen war, daß die Mutterlandspartei (ANAP) und die Partei des Rechten Weges (DYP) – die im Wahlkampf auch auf die Nationalismuskarte gesetzt hatten – drastische Verluste verzeichnen mußten und so die MHP die zweitstärkste Fraktion wurde. Diese Position ermöglichte der MHP als zweiter großer Partner der Ecevit – Partei DSP die Regierungskoalition mit DSP und ANAP zu gründen. Sämtliche Ministerien, die eine große Anzahl von Personal beschäftigen, sind in der Kontrolle der MHP . Da es eine politische Tradition der Türkei ist, nach jedem Regierungswechsel das Personal der Verwaltung umzustruktrieren, haben die MHP Minister innerhalb kurzer Zeit in allen Bereichen ihrer Verantwortung die Verwaltung mit MHP Aktivisten besetzt.

Vor der Gründung der Regierungskoalition beherrschte die öffentliche Diskussion die Frage, »ob die MHP sich geändert habe oder nicht«. Fast alle türkischen Medien, insbesondere die »Staatshörigen«, vertraten die Meinung, daß sich das Image der MHP, somit ihre rassistische Grundhaltung sich verändert habe. Dies, obwohl insgesamt 18 verurteilte und später freigelassene Mörder in den Reihen der MHP Abgeordneten sich befinden. Bei dem Wetteifern um die Argumente, wie sehr sich die MHP geändert habe, hat sich eine künstliche Tagesordnung gebildet, in der die Aussage der MHP Führers Devlet Bahçeli, »Wir haben uns nicht geändert, wir sind klüger geworden«, fast unter gegangen ist.

In der Tat, die heutige MHP hat sich in ihren Grundaussagen nicht geändert. Die nationalsozialistische Neun – Lichter – Doktrin bestimmt weiterhin ihr Parteiprogramm. Die MHP hält weiterhin an ihrem Endziel »Turan« (dem großtürkischen Reich) fest. Die Grenzen des »Turan« wurden seinerzeit von Türkeş gezogen: »In welcher Ecke dieser Welt auch ein Türke leben mag, dort sind die Interessen der türkischen Nationalisten zu wahren!«.

Wie diese »Interessen« zu wahren sind, zeigten die Grauen Wölfe im August 1996 in Zypern. Dazu sagt der damalige Vorsitzende der Idealistenvereine Azmi Karaahmetoğlu folgendes :

»Wo es auch immer in der Geographie des Turan notwendig ist, werden wir (die Grauen Wölfe – Anm. d. V.) handeln. Überall dort wo ein Türke lebt. Was auch notwendig ist, wird durchgeführt. Wenn, wie am 11. August 1996 es notwendig war, den Kopf eines Griechen zu erschlagen, so werden wir, wie wir es getan haben, nicht zurückweichen es wieder zu tun«.

Diese Haltung entspricht genau dem, wovon Necdet Sevinç – ein MHP Ideologe – noch 1977 träumte :

»... Als ein Sohn der stolzesten und herrschaftlichsten Nation, die für die Weltherrschaft geschaffen wurde, gefällt es mir nicht beweisen zu müssen, daß Zypern als ganzes von der Türkei eingenommen werden muß. Wenn Gott diese Insel erschaffen hat, dann wurde sie für mich erschaffen. Und wenn ich diese Insel nicht einnehmen kann, so möchte ich sie mit Tausenden Tonnen Dynamit im Meer versenken«.

Ich glaube, daß diese abscheulichen Zitate ausreichen, um zu belegen, wie menschenverachtend, kriegsverherrlichend, chauvinistisch und zutiefst rassistisch die Ideologie der MHP ist.

Föderation der Demokratisch – Idealistischen Türkischen Vereine in Europa e.V. (ADÜTDF)

Die ADÜTDF, in Kurzform »Türk Föderation«, wurde am 17. – 18. Juni 1978 in Schwarzenborn gegründet. Der Saal, in dem sich die Vertreter der 64 Vereine aus der Bundesrepublik, Österreich, Belgien, Frankreich und Niederlande getroffen haben, wurde von einem Herrn Dr. H. – Eckhardt Kannapin gemietet. Dr. Kannapin war Stadtverordneter der CDU in Schwalmstadt und ein enger Freund des damaligen CDU Innenministers Schwarz in Rheinland – Pfalz. Der wiederum stellte für die CDU den Kontakt zu Alparslan Türkeş. Die Kontakte wurden immer über den Statthalter von Türkeş in Europa, Enver Altaylı hergestellt. Dr. Kannapin stellte als Türkei – Experte des BND den Dialog mit der MHP her und verhalf dem Vorsitzenden der Türk Föderation Lokman Kundakçı sowie dessen Nachfolger Musa Serdar Çelebi durch eine angebliche Beschäftigung in seinem fiktiven »Türkei Institut« zu Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen in der Bundesrepublik . Diese sogenannten »wissenschaftlichen Mitarbeiter« waren in der Wohnung des Dr. Hans – Eckhardt Kannapin in Schwalmstadt, Mainzer Gasse 2 pro forma beschäftigt. Für seine Dienste wurde Dr. Kannapin mit mehreren Nordzypernaufenthalten belohnt. Die Kosten dieser Reisen wurden aus den persönlichen Konten von Türkeş in der Bundesrepublik bezahlt.

Die Türk Föderation konnte seit ihrer Gründung eine umfangreiche Organisation aufbauen. Der Terror, den die Grauen Wölfe vor 1980 in der Türkei zuspitzten, beeinflußte auch das Leben der türkeistämmigen Immigrant/innen in der Bundesrepublik. So wurden auch in Europa mehrere Menschen, wie der Gewerkschafter Celalettin Kesim in Berlin, Opfer neofaschistischer Attentate.

Die Türk Föderation unterhält seit ihrer Gründung enge Beziehungen zu rechtsextremen und neofaschistischen Organisationen. Schon 1970 hatte der NPD – Chef A. von Thadden den MHP Führer Türkeş in die Bundesrepublik eingeladen. Die inzwischen verbotenen Organisationen wie FAP, Aktionsfront Nationaler Sozialisten, Wehrsportgruppe Hoffmann und andere hatten engen Kontakt mit den führenden Vorstandsmitglieder der Türk Föderation. Enver Altaylı, Lokman Kundakçı, Ali Batman, Musa Serdar Çelebi sowie der heutige Vorsitzende der TIDAF İhsan Öner wurden von den deutschen Neonazis als »Kameraden« angesehen. In seinem Schreiben vom 28. Juli 1977 forderte Türkeş seine Gefolgsleute in der Bundesrepublik zur engeren Zusammenarbeit mit der NPD auf: »... Der Organisierungstätigkeit in diesen Städten muß mehr Gewicht verliehen werden. Für die Realisierung der vorgenommenen Ziele ist es erforderlich, daß die bestehende Zusammenarbeit zwischen der NPD und unserer Partei, die Erfahrungen und die Arbeitsmethoden der NPD gemäß den Befehlen unserer Parteizentrale besser ausgenutzt werden«. Diese Zusammenarbeit wurde auch in anderen Ländern wie in Frankreich mit dem »Odre Nouveau« (später mit dem Front National) weiter geführt.

Aber nicht nur die rechtsradikalen Parteien wurden konsultiert. Auch die CDU und die CSU unterstützten die MHP in der Bundesrepublik. Der damalige bayerische Ministerpräsident Franz – Josef Strauß traf sich am 1. Mai 1978 mit Alparslan Türkeş und versprach tatkräftige Unterstützung. Der bayerische Innenminister Gerold Tandler setzte sich öffentlich im November 1980 für die MHP und Türk Föderation ein : »Die MHP und die Türk Föderation setzen sich für die Interessen der türkischen Republik und Nation im Rahmen der Gesetze der Bundesrepublik Deutschland ein« . Weitere Unterstützung wurde der Türk Föderation von dem islamistischen »Verband der Islamischen Kulturzentren« (VIKZ) und der CDU – nahen »Hür Türk«, dessen Vorsitzende zeitweise der verstorbene CDU Bundestagsabgeordneter Strecken war, gewährt.

Nach Lokman Kundakçı war bis 1987 der in das Papstattentat verwickelte und wegen fehlender Beweismittel freigelassene Musa Serdar Çelebi Vorsitzender der Türk Föderation. Zu seinen damaligen Vorstandskollegen gehörten der in der Türkei steckbrieflich gesuchte Mörder Ali Batman und der heutige Ausländerbeiratsvorsitzende in Mainz İhsan Öner. Öner ist heute noch mit Çelebi eng befreundet und sein Geschäftspartner. Als Vorsitzender der sogenannten »Föderation der Türkischen Unternehmervereine« (TIDAF) zieht er gemeinsam mit Çelebi die Fäden.

Die Türk Föderation war nach dem Militärputsch von 1980 die Koordinierungs- und Unterstützungszentrale für die untergetauchten neofaschistischen Killer. Der Papstattentäter Mehmet Ali Ağça nutzte die Verbindungen der Türk Föderation, um in Europa untertauchen zu können. Der inzwischen bekannte Abdullah Çatlı und seine Freunde agierten im Auftrag der türkischen Konterguerilla und mit tatkräftiger Unterstützung der Türk Föderation in Europa. Einer der meist gesuchtesten Killer der Grauen Wölfe, Yalçın Özbey, lebt heute noch in der Bundesrepublik. Er hat Asylrecht erhalten.

Mit dem Ausscheiden von Musa Serdar Çelebi im Jahre 1987 kam der Bruch. Dem war ein Streit zwischen Türkeş und Çelebi vorausgegangen. Çelebi konnte zahlreiche Vereine »mitnehmen« und seine »Union der Türkisch – Islamischen Vereine in Europa« gründen. Die Zentrale der Türk Föderation ist in Frankfurt am Main. Der heutige Vorsitzende ist Cemal Çetin, der die Fahne von Mehmet Erdoğan im Oktober 1999 übernommen hat. Da durch die Auseinandersetzungen der Jahre 1977 bis 1980 der Begriff »Bozkurt« also Grauer Wolf und die »Idealistenvereine« den neofaschistischen Charakter der Organisation sehr schnell offenbarten, haben die Mitgliedsvereine der Türk Föderation ihre „deutschen Namen“ geändert. Es werden unauffällige Namen wie »Türkisch – Deutscher Kulturverein«, »Türkisches Kulturzentrum«, »Fatih Moschee«, »Hacı Bayram Moschee«, »Ergenekon«, »Türkisch – Islamisches Zentrum« u. ä. verwandt. Die türkischen Namen, die die Zugehörigkeit zu den Grauen Wölfen zeigen, sind aber geblieben.

Laut dem Verfassungsschutzbericht hat die Türk Föderation ca. 3.500 Mitglieder. Die Türk Föderation selbst spricht von 180 Mitgliedsvereinen mit Tausenden Mitgliedern. Abgesehen von diesen Mitgliedsvereinen sind die Grauen Wölfe der Türk Föderation in zahlreichen Moscheevereinen, Korankursen, Fußballvereinen, aber auch in manchen Ausländerbeiräten aktiv. Die türkischen Rechtsradikale vermeiden die Benutzung von Namen der eigenen Vereine, wenn sie andere Personen oder Organisationen bedrohen. In einem Drohbrief, der an die Griechische Gemeinde Darmstadt – Dieburg gerichtet war, heißt es:

»Warnung an alle Griechen !!!!

Ihr Griechen seid ein Lächerliches u.Jamerliches Volk das in den Letzten Jahren zur einer Scheinbedrohung gegen unsere Türkische Nation geworden ist. Unsere Führung, Armee und Nation war über Jahrhunderte und jetzt in der Gegenwardt unbesiegbar und keine Macht in der Welt wird uns aufhalten.

Euch Griechen haben wir unter den Befreiungskrieg unter unsere Führer Kemal Atatürk ins Meer geworfen, und eure jemerlichen inseln in der ägais und vorallem Zypern ist eine Frage der Zeit wan die Tubpen unserer Nation einmarschieren und endgültig eure Rasse auslöschen. Sobald wir diese dreckicken und ungläubigen kurden und Armenier auslöschen ist eure jemerliche Rasse dran. Wir Türken kennen keine Gnade, und hinter euren dämlichen Europaischen Freunde euch zu verstecken wird euch auch nicht helfen.

Über den Aufenthalt, den Bewegungen von Euch, euren Familien und kinder wissen wir bestens bescheidt, und beobachteneuch. Doch früher oder später werdet ihr alle einen nach den anderen Merken das wir Türken ernst meinen was wir sagen.

Das ende von euch allen wird sehr Grausam sein!

-Wir sind stolz die Söhne dieser Nation zu sein

-Ein Türke ist über alles in der Welt

-Jeder Türke ist ein ATATÜRK, jeder ATATÜRK ist ein Türke

-Tod den Kurden, Armenier und Griechen«.

(Rechtschreibfehler wurden wie im Original übernommen – Anm. d. V.)

Während die Mitgliedsvereine unauffällig agieren, versucht die Türk Föderation mit öffentlichen Veranstaltungen ihr Image zu verbessern. So veranstaltete die Türk Föderation in den Jahren 1998 und 1999 in verschiedenen Städten »Informationsveranstaltungen gegen den Drogenmißbrauch«. Der Ablauf der Veranstaltungen war immer gleich. An jeder Veranstaltung nahmen Drogenfahnder der jeweiligen Kriminalpolizei teil. Währenddessen wird der Drogenmarkt in der Türkei weitgehend von einer Mafia kontrolliert, die von Grauen Wölfen geführt wird.

Der Verband unterliegt der strengen Kontrolle der MHP. Die Funktionäre des Verbandes werden von der Parteizentrale in Ankara ernannt. Die ADÜTDF fungiert als inoffizielle Auslandsorganisation der MHP in Europa. An allen zentralen Veranstaltungen nehmen hohe Parteifunktionäre, Minister und Abgeordnete der MHP teil. Bis zu seinem Tod war Alparslan Türkeş an den jährlichen Kongressen des Verbandes anwesend.

Die Aktivitäten des Verbandes sind daher i.d.R. politisch ausgerichtet. Es wird in der Bundesrepublik für die Mitgliedschaft in der MHP geworben und Fahrten zu den verschiedenen Wahlen in der Türkei organisiert. In den letzten Jahren steigerten sich die religiösen Aktivitäten der örtlichen Vereine. Nach und nach werden Moscheevereine gegründet, die mit »Türkisch – Islamische Zentren« oder anderen Namen sich eintragen lassen. Der Verband verfügt weiterhin über Nebenorganisationen wie Frauen- und Jugendvereine sowie Sportvereine. Insbesondere im Bereich Fußball sind zahlreiche Sportvereine der »Grauen – Wölfe« aktiv.

In fast jedem Mitgliedsverein sind vereinseigene Büchereien vorhanden, in denen nationalistisch – religiöse oder neofaschistische Literatur, Video- und Musikkassetten vertrieben werden. Die Werke von Türkeş, aber auch die türkische Übersetzung von Hitlers „Mein Kampf“ gehören zum Bestand. Der Verband ist seit einigen Jahren auch in dem Bereich Pilgerfahrten vertreten. Die verbandseigene Pilgerorganisation veranstaltet jedes Jahr »Türk Föderation Pilgerfahrten« für 4 000,-- DM pro Person. Die örtlichen Vereine fungieren als Firmenvertretungen.

Obwohl sich die Funktionäre der »Türk Föderation« besonders in den letzten Jahren gerne als »gemäßigte türkische Muslime« darstellen und sich bei öffentlichen Veranstaltungen für »Integration und doppelte Staatsangehörigkeit« einsetzen, hat der Verband der Grauen Wölfe nichts von seiner Gefährlichkeit verloren. Die Mitglieder der »Türk Föderation« bekennen sich zu den »Idealen« ihres Führers Türkes und scheuen sich auch nicht, ihre Aggressivität gegenüber Andersdenkenden zu zeigen. So kommt es desöfteren vor, daß insbesondere Kurd/innen oder türkeistämmige Demokraten von ihnen attackiert und gar getötet werden. Dort wo sie zahlenmäßig im Vorteil sind, zeigen sie ihr wahres Gesicht.

Nämlich das wahre Gesicht des Neofaschismus.

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