Lula Präsident - Ein Sieg der Massenbewegung ?

Eine überwältigende Mehrheit an Wählerstimmen (61%) hob Ignacio Lula da Silva ins Präsidentenamt. Zu einer Bewertung des Wahlsieges ist es noch zu früh, will man sich nicht auf die Spekulationen herablassen, welche die Globalpress kennzeichnet. Die meldet ihre Zeifel an, ob der Präsident, Sohn einer Analphabetin und Arbeiter, wohl außer seinem Charisma mehr zu bieten habe, was nach Ansicht der Technokraten, dieses von der Krise gebeutelte Land weiterbringen könnte. Die Hauspostille des Finanazkapitals stimmt in der ersten Verwirrung beruhigende Töne an, die sich zufrieden zeigen mit der Zusicherung des neuen Präsidenten, internationale Verträge einhalten und die Inflation bremsen zu wollen.

Im folgenden sei in Auszügen ein Interview wiedergegeben, das der Vorsitzende der Landlosenbewegung Joao Pedro Stedile der spanischen Tageszeitung El Pais zum Wahlgang in Brasilien gab.

El Pais: Ist die Landlosenbewegung der größte Kopfschmerz von Lula, sollte er die Wahlen gewinnen?

Stedile: Nein, der größte Kopfschmerz nennt sich amerikanisches Kapital mit seinen Ablegern: Banken wie Citibank und Bank Boston, der Weltwährungsfond (FMI), die Weltbank und die WTO. Sie sind die größten Kopfschmerzen des Segnor Lula da Silva und der brasilianischen Bevölkerung.

El Pais: Wird sich die Landlosenbewegung bei einer voraussichtlichen Regierung der Arbeiterpartei (PT)loyal verhalten oder durch weitere Landbesetzungen Druck auf die neuen Behörden ausüben?

Stedile: Die Landlosenbewegung ist gegenüber der Arbeiterpartei unabhängig. Landbesetzungen und Mobilisierung der Bauern sind nicht vom Willen ihrer Dirigenten bestimmt, sondern von der Tatsache, dass die Probleme der Landlosen zunehmen oder abnehmen. Natürlich wird zu Beginn jeder neuen Regierung zuerst einmal abgewartet, was sie tut.

El Pais: Die Erwartungen an eine Regierung Lula sind bei der Landlosenbewegung und bei anderen sozialen Bewegungen weitaus höher als bei einer Regierung, die irgend ein anderer Kandidat stellte.

Stedile: Sicherlich! Brasilien befindet sich in einer sehr schwierigen Phase. Zuallererst ist das neoliberale ökonomische Modell gescheitert, das unsere Gesellschaft und Ökonomie in eine Sackgasse geführt hat. Dies erfordert grundlegende Veränderungen, da sonst die soziale Krise vernichtend sein wird und wir wie Argentinien enden werden. Ein Sieg von Lula besitzt symbolischen Wert, der seinen Einfluss auf ein Wiedererwachen der brasilianischen Masssenbewegung ausüben würde. Die Wahlkampagne von Lula sagt der Bevölkerung: „Wählt Lula, es ist Zeit für Lula!“ Sehr gut, also wählen wir Lula. Jedoch ab Januar kommenden Jahres wird die Bevölkerung sagen: „Jetzt ist unsere Zeit gekommen!“ Es wird ein Prozess der sozialen Mobilisierung geben, an dem sich die Landlosen und öffentlichen Arbeiter beteiligen, um die Veränderungen zu unterstützen, deren Brasilien bedarf.

El Pais: Werden sie mobilisiert, um die neue Regierung zu unterstützen?

Stedile: Es handelt sich nicht darum, in einem Bereich der Partei zu agieren. Ich spreche von Massenbewegung, welche die Regierung drängt, Veränderungen anzugehen. Wenn die Regierung Lula diese Botschaft der Bevölkerung als eine Stärkung der Bemühungen zur Veränderung versteht, ist das gut. Sollte sie hingegen die Bevölkerung zu täuschen versuchen und um Geduld bittet, wird sie wie die Regierung De La Rúa enden.

El Pais: Haben Sie Vertrauen in eine Regierung Lula oder sind Sie besorgt wegen der vereinbarten Alleanzen mit Teilen der Konservativen oder der Unterstützung, die er aus Unternehmerkreisen erhielt?

Stedile: In der brasilianischen Poliltik gibt es viel Rhetorik und wenig Bemühungen. Mit was wir es hier zu tun haben, stellt nichts anderes als sehr heuchlerische Kampagnen dar. Das, was Fernando Henrique Cardoso während der Wahlkampagne versprochen hat und das, was er danach gemacht hat, haben nichts miteinander gemeinsam. Ehrlich gesagt, bin ich wegen des Tenors in Lulas Reden bezüglich möglicher Parteienalleanzen nicht besorgt. Wir haben Vertrauen in die Tatsache, dass Lula die am Rande der Parteien organisierten sozialen Kräfte unserer Gesellschaft repräsentiert.

El Pais: Verlangen Sie und die Landlosenbewegung einen Bruch mit der Politik der Weltbank und des Weltwährungsfonds?

Stedile: Ich, aber auch einige Bänker.

El Pais: Aber das ist nicht das, was Lula während der Wahlkampagne äußerte.

Stedile: Da kommen wir wieder auf die Rhetorik politischer Kampagnen in Brasilien zurück. Die notwendigen Veränderungen hängen nicht vom Willen Lulas ab, sondern von der Mobilisierung der Bevölkerung. Unsere Ausfgabe in der Landlosenbewegung besteht darin, die Bevölkerung zu mobilisieren, um von der neuen Regierung diesen Bruch zu fordern.

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