In den Kulissen der Teutozentrale

Unterwegs in Provincia Anatolia des Novum Romanum

Postskriptum-Porträts vom Spätsommer-Spektakel der Domänen-Demokratie

Von Necati Mert

Eine medial-aufklärerische Leistung soll es nicht sein, die Menschenlandschaften einer Hemisphäre in Worte zu fassen. Was nützt schon eine Reportage, die Wiedergabe des Beobachteten, wenn dessen Bilder in den Köpfen des geläuterten westlichen Publikums imaginäre Wurzeln haben? Als Ammenmärchen des gehoben honorierten Fabulanten.

Den Orient als Exotikum trägt die Türkei in Miniatur in sich. Das Paradoxon, den christlich hegemonialen Ambitionen zu widerstreben, indem man sie merkantil voll entfaltet, tritt offen zutage im Makrokosmos Konsumfieber wie im Catch-as-catch-can-Zirkus der mit Nullen ornamentierten Banknoten. Menschen handeln in öffentlichen Orten wie Marionetten des Besitzgötzen. Alles, was sie tun und lassen, ist Pflicht.

Der Mikrokosmos des Denkens entschwindet im Makrokosmos des Freihandels. Der Planet des Hochgefühls wird abgelöst durch die Planetoiden der Wehklage.

Der Supermarkt hat den Namen des Hypermarketts, in dessen Sonderlagern man alles sehen kann: Kittekatt neben Ness-Kaffee, Coca Cola neben Camembert. Den türkischen (Pfeifen)Tabak gibt es selbst in Tabacco-Shops nicht mer, in denen man fast alles findet. Den türkischen Kaffee bestellt man in den Cafés nicht, auch nicht das türkische Bier in Bierschenken. Selbst das Gras in den Villengärten stammt aus dem Import-Bestand abendländischer Fabrikate her. So der Hunde-Kot in den Parkanlagen.

Das Leben ist virtuell. Man grüßt sich über Handy. Die Kommunikation in der Familie erfolgt über Antennen. Das Fernsehen wird vom ersten eingeschaltet, der aufsteht. Wer als letzter ins Bett geht, macht es aus.

Die NeuMitte sieht generell von notwendigen - fundamentalen - Gleichheiten ab und fährt die Generalien auf, das Spiel der gerechten Ungleichheiten und erteil das Testat für Chancengleichheit zur Teilnahme am marktläufigen Konkurrieren. Die Schicht oben fühlt sich freudevoll erfüllt, wenn sie unter sich die Bedürftigen beobachtet. Sie braucht, um ihre Moralzellen mit dem Luftmeer der Erhabenen zu füllen, etwas, von dem sie sich abheben und verachten kann.

Die Klasse der Tufeylis (Nassauer) und Haramiten (Freibeuter) befindet sich auf dem Niveau ihrer westlichen Gebrüder. Die "neue Mitte" ist ihre Bastion und die Hyperdemokratie ihre Hauptstütze, die weltweit die Überflüssigen nicht mehr aliminieren kann, sondern eliminieren muß.

Menschen sind in der Menge vereinzelt, atomisiert, manipuliert, degeneriert, korrumpiert. Der Homo capitalis gebiert seine Nachkommen. Sie unterscheiden sich bereits beim ersten Schrei voneinander, sind in der breiten Untermasse die Last, auf den dunklen Straßen gefährliche Schatten wie Raubtiere im Strauchwerk. Sie sind in der Klasse der Mitte das Status- und Machtsymbol. Ein Boom erfährt die Industrie der Privatschulen. Ihre Klientel füllen nicht mehr Hintergärten, sondern Internetcafés, lernen dort die Utensilien des spätbürgerlichen Alltags, neben Kriegsspielen und standardisiertem Sex die Regeln der sozialen Apartheid.

Einer, der aus dem goldenen Westen kommt und erzählt, daß er keine Spülmaschine hat, kommt dem Normal-Osman vor wie eine Gestalt von einem namenlosen Planetoiden. Bestreiten kann der späte Ottomann aus Alamania aber nicht, daß er Geld zum Verschenken hat, damit sich der Clever-Kumpan am Bosporus ein zweites Auto, ein drittes Haus und eine vierte Mätresse zulegen kann.

Die Heiterkeit, in der sich ein Idealzeugnis des Menschlichen ausdrückt, wird nur noch veranstaltet, um den Druck des Ernstes etwas abzuschwächen. Das karnevaleske Angebot der Media-Malocher oder Kabarett der Markt-Melancholiker fristen die entmannte Existenz der Allgemeinheit am Katzentisch, damit die Generalia im besitzkreischenden Humanitätsideal. Uninteressant für Menschenrechtstouristen

Wo der Tourist global zirkuliert, wird der Migrant profitabel lokalisiert. Einsatz findet er für die Angaria auf dem Schattenmarkt des Fremdenverkehrs. Er ist der Arrestant im eigenen Bunker. Gegen ihn als mobiles Element der potentiell rebellischen Weltklasse richtet sich das Kerngeschäft des Nationalstaates, das fortwährend ausgebaut wird, vor allem im sicherheitssystemisch kultivierten Anstrich paramilitärischer Patrouillen, um die Fluchtfluten in die eurokratischen Hemisphäre zu bändigen.

In Hasankale, einem Badeort ca. 50 Kilometer östlich von Erzurum, der Metropole der Region westlich vom Ararat: Nach dem Mittagessen in einem Forellen-Restaurant fahren wir zur Besichtigung der historischen Burg hinter der Stadt. An einer Seite weitet sich ein Hüttenviertel aus Lehm und Rindermist aus. Wir halten vor dem Burgtor und wollen aussteigen. Aus den Hütten kommend stürmt eine Kinderschar zu uns her. Ein Teil hält Steine in der Hand, einige - in der Pose der Anführer - nähert sich unserem Auto und bietet uns ihren Schutzdienst an. Gegen wen? Sie zeigen die anderen. Wer sind sie? Keine Antwort.

Angst machen uns diese Kinder, barfuß auf steinigem Boden, im Alter von fünf bis zehn (noch Ältere sind vielleicht auf der Suche nach Broterwerb in naheliegenden Orten). Wir verzichten auf die Besichtigung, kehren um, durch die engen Gassen bergab, die wiederum mit Kindern überbevölkert daliegen.

Auf der Hauptstraße in Richtung Erzurum: wir kehren um. Auf beiden Seiten des Asphalts erstrecken sich Riesenfelder von Getreide, Zuckerrübe und Sonnenblumen. Ob ihre Besitzer selbst dort auch ackern oder sich auf den Terrassen ihrer Villen am Mittelmeer erheitern, wollen wir nicht wissen. Uns begleitet der real existierende Wahnwitz von Markt, Freiheit und Menschenrecht weiter. Und ob die Menschen in den Slums Kurden sind? Darüber machen wir uns keine Gedanken, wollen die grimmige Bedürftigkeit und den Haß auf den bürgerlichen Spaß nicht in ethnischen Stoff kleiden.

Wieder in Erzurum, vor dem Laden unseres Gastgebers: Ein Junge, etwa zwölf Jahre alt, taucht auf. Ein Schuhputzer, der am Tag drei Millionen (zwei Euro) verdient. Ob er davon gehört hat, daß Kinderarbeit verboten ist? "Soll ich deswegen meine Eltern hungern lassen?" erwidert er.

Der Warenhorizont der Arbeit dehnt sich aus. Vom Revier der Kinderarbeit weht der Wind, gestützt auf UN-Konventionen. Diese Papiere sind das Eigentum einer depressiven Kaste, die sich als Menschheit präsentiert. Ihre Kinder als Juvenilität einer Sammlung entfremdeter Individuen. Als Konturen der nebulösen Sentimentalität einer Schicht, die ein stereotypes Bild vom Ehesegen für präformierte Bedürfnisse und Mythenmulden projiziert. Daraus entsteht der Bastard. Es ist der Kaffee-Pflücker und Teppichknüpfer, der Helot in Bergwerken, Ziegeleien, Schwitzbuden und Bordellen. Etwa 140 Millionen an der Zahl. Das Monstrum Nachwuchs erwächst in Horror-Slums, den Rauchfahnen der "Gecekondu".

Unter der Schwitzbuden-Ökonomie finden sich verschiedene Formen von Saison-, Teilzeit- Heim- und Leiharbeit sowie der häuslichen und der Subsistenzproduktion. Langgestreckt ist die Grauzone von der Informalität zur Kriminalität, in der sich die Verhältnisse der Sklavenarbeit ausbreiten. Das gilt natürlich nicht nur für die peripheren Schattenökonomien, sondern auch für die Werkvertragsarbeiter, die Angaria-Proleten auf deutschen Baustellen oder Farmen sowie für die illegalisierten Peripherie-Mädchen in Metropolitan-Bordellen, die Billignutten von ganz unten. Der Männer-Hunger nach Frauen-Elend wuchert. Der Economist gar begrüßt die Liberalisierung der Prostitution, sie würde dem Anlagekapital neue Schwingen verleihen.

Die Empirie billigt die These. Ein Boomtown zeigt sich in der alten Hafenstadt Trabzon am östlichen Schwarzen Meer, wo einst Karawanen-Routen der Seidenstraße in Richtung Persien und Mesopotamien begannen. Hier floriert neben dem Ramschhandel die Natascha-Industrie (so werden die Kurtisanen aus den Breiten der Ex-Sowjetunion genannt).

Zur Charakteristika der Schattenökonomie gehört die Horde der "Isporta", die fliegenden Händler ohne Zulassung, aus denen letztlich die offensiven Kräfte der Globalisierung hervorgehen. Sie lernen ihr Handwerk im stündlichen Krieg mit städtischen Ordnungshütern. Jeden Tag beginnt des Scharmützel von Neuem. Jeder Ort ist ein Schlachtfeld. Besonders auffallend in der nächtlichen Dunkelheit sind die Karren-Schieber, welche freiberuflich die Funktion der Mülltrenner ausüben. Sie sammeln Papier und Plastik an den Stellplätzen der Mülltonnen und liefern an die Müllberg-Händler, welche wiederum die Industrie mit notwendigen Rohstoffen versorgt.

Die "Multitude", die Menge, auf deren Autonomie die "Empire"-Theorie der bärbeißigen Globalismus-Guerilleros gründet, flaniert fraternisiert. Passiv, kommandiert und reaktiv demonstriert sie mehr Frust als Lust, korrumpiert und mit Utensilien des klassenlosen Prothesen-Projekts geschult. Ohne das Signum einer Revolte gemäß der schwärmerischen Wärme der Weltsozial-Forum-Empiriker für "Weltbürgerschaft, sozialen Lohn und Wiederaneignung". Nichts unterscheidet sich grundsätzlich davon, was das hochkapitalistische Zentrum noch zu liefern fertig bringen kann.

Die Varoschs, die Slums, belagern die Flaneure der Parvenüs und Patrizier, schwellen ständig an. Angst davor hat gerade die Klasse, die endlich in der EU ankommen will.

Was ist, wenn aus diesen Varoschs die Hungerlawinen ausbrechen und auf die Zitadellen der Glücklichen zurollen - nicht nur am Bosporus? Daher erwartet die EU-Aristokratie von der Regionalwacht, daß sie dieses Menschengeschlecht mit dem ethnischen Identitäts-Marker behandelt, das Elend ins Kurdische, Alevitische, Sunnitische u.a. aufteilt.

Die Eurokratie setzt auf die Demokratie der marktgläubigen Autarkie

Die von der EU verordneten Jagdorgien auf "Illegale" bereichern die abendliche Unterhaltung im Heimkino. Die Kameras begleiten die Razzien in den dunklen Gassen und Kellern. Gefangen werden jene globalen Proleten, die beim Spießrutenlaufen nach jedem Strohhalm greifen, um im Schmelztiegel am Bosporus das nötige Geld für eine Odyssee übers Mittelmeer in die Zentren der kapitalistischen Hochburgen zusammenzubringen.

Die Journaille malt die Riesentafel der Ausweglosigkeit im schwarzen Duktus. Die supranationale Autokratie der europäischen Kasten-Architektur diktiert den Liberalismus pur. Die postmoderne Elite der Bildungsphilister begeistert sich seit der Verabschiedung des Reformpakets im Juli 2002 für die buntscheckige Kultur-Vielfalt. Der Ethno-Rausch expandiert. Willfährig. Zehntausend Pop-People füllen am 30. August 2002 das Antik-Theater von Ephesus. Sezen Aksu, die Popgöttin, singt türkisch-kurdisch-armenisch-griechisch.

Die häßliche Grimasse der kapitalistischen Moderne grinst. Immer tiefer wird der Inhalt des Menschlichen ausgehöhlt, immer höher steigt die kosmische Kosmetik-Kurve, dem homo oeconomicus eine humanitäre Maske aufzusetzen. Die Ambitionen der postindustriellen Bourgeoisie, in der epochalen Bühne der imperialistischen Nationen als konkurrenzfähiger Teilhaber aufzutreten und nicht mehr als konkurs-konstruktiver Kumpan, verflüchtigt sich von Saison zu Saison mehr, seit die europoiden Zentren ihren Limes auch ideologisch verschoben haben - beseelt vom Vorsatz, die Festung Europa auf dem Postament der christlichen Leitkultur auszubauen. Dies erzeugt selbst bei den islam-grünen Newcomer im anatolischen Hochland die Bereitschaft, sich zum abrahamitischen Monotheismus biblischer Färbung bekehren zu lassen, der dem Besitzgötzen den mustergültigen Thron verbürgt. Vorbei sind die Treueprämien des Kalten Krieges und die Zeiten, sich an einen Strohhalm zu klammern und durch die Galaxien zu reisen.

Die Rivalitätsrituale des Künstlichen wird in der Gladiatorenarena der Neu-Gierigen ausgetragen. Die Komikerdemokratie der Crme-de-la-crme-Klasse und der Herde der Euro-Stürmer löst das Menschenrecht auf Rebellion ab.

Auf dem Zielbahnhof des Wahlmarktes steigt der Windmacher der Enteignungs- und Privatisierungsmühle ein, pflastert den Korridor zum Gesandten-Abteil und weint sich im Nebenan vom Scharlatan über den untätigen Wotan aus. Hier gesellen sich die Apostel Adam Smiths, des Hof- und Hohepriesters der Laissez passer-Kirche, zum Championat der Metaphern-Jagd. Hier sind am Ende alle Klageweiber gleich kläglich, jede das Abziehbild der anderen.

Das Wahlspiel findet in der Arena der Duellanten statt. Da überheben sich die Münchhausen-Mentore. Darunter weitet sich das Quantum des ebenerdigen Kleinbürgertums aus, korrupt wie ihre Oberkaste. Das kleinbürgerlich konstruktive Gemisch aus klerikalem Sorbett (Scherbett) und sozialem Korso sucht den begehbaren Weg, an die Schalthebel der Macht zu gelangen. Sein Konterfei entspricht der westlich medialen Eleganz. Am Reklame-Ruder posaunt jeder Kandidat in Hast und Hektik als machttrunkener Sieger. Für den Schludrian am Machthebel bleibt jedes Widerwort ein Zankapfel.

Parlamentarier fallen als Flickschuster ins Gewicht, welche gesellschaftliche Tortenstücke nach alten Regeln immer neu zu schneiden wissen. Medien rufen die Zustände auf den Plan, die sie flagrant manipulieren. Im Gerüchtenebel des Esoterischen stochert die Journaille herum, wirbt für die Individualisierung, verbindet das Scheitern mit der eigenen Biographie der Gescheiterten, verleitet ihn zum Orden der Flagellanten.

Im kollektiven Lachkrampf begibt sich das Eliten-Publikum zum Stammtisch der Leisetreter. Mit High-Tech-Werkzeug und Schmollen ziehen seine Zunftgesellen in den Hohlweg zum Himmelszelt, warten auf das Nahen der Mitte, beten für die Nähe der List im Flachland.

Politikaster haben das Komplexe zu elementarisieren und reden - im Gegensatz zur theatralischen Kurzweil - zum Schwatzbuden-Fenster hinaus. Die Zukunft, die ihre Gilde vertritt, ist jedoch der Spiegel der Gesellschaft, die sie bestellt. Da landläufig der Gedanke besteht, daß der Tagesschimmer vom Abendland herkommt, schweben die Zöglinge der merkantilen Seminare in einer Sphäre der zensierten Meinung, die man in standardisierter Vielfalt kundtut.

Der Fundamentalismus kommt kaum zum Vorschein, bleibt in der Drohkulisse derer, die von der Phantasie der EMMA-Emanzipation begeistert sind. Um Mitternacht lassen sich in den Vierteln der Mittelschicht mehr weibliche Figuren sehen als männliche Geschlechter. Die jungen Frauen, die sich Kleidung aus den Tesettür-Boutiquen leisten, verschönern das Straßenbild nach Männergeschmack: Der Kopf mit Turban bedeckt, Busen und Hüften sichtbar betont. Natürlich unter feinem Stoff. Sie demonstrieren nicht gegen den Westen, sondern für dessen Potenz. Repräsentiert werden sie von jener gemäßigten islamistischen Partei, dessen Vorsitzender seine Tochter zum Studium in die USA geschickt hat - mit einem Stipendium eines Geschäftsfreundes, der sein Vermögen aus dem Mode-Business der westlichen Nacktheit erntet. Als Grund seiner Entscheidung gibt der Mann an, daß er seine Kinder in der Türkei nicht nach seiner religiösen Überzeugung erziehen könne. Es gebe dort nicht die Freiheit des Studiums - wegen des Verbots der Kopfbedeckung an den Universitäten.

Zum Advokaten der vom Enteignungsbulldozer heimgesuchten Landeskinder schwingt sich dieser Hodja-Erbakan-Zögling und Ex-Stadtoberhaupt von Istanbul, Recep Tayyip Erdogan, auf. Seine Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) wird kaum noch als buntes Allerlei nach islamistischem Gottseibeiuns attackiert, viel mehr als kultur-konservatives und neoliberales Mittelstandsbassin wahrgenommen, dessen Mitschwimmer vom partizipativen wie kreativen Aufstieg in den Eiffelturm des globalen Marktsystems träumen und nicht von Huris im Himmelreich.

Außer Amboß und Hammer gibt es in diesen sozial-darwinistischen Marktabläufen nichts. Über jegliche Mittel der Selbstverwirklichung zieht das Gendarmainstreaming her, und der Citoyen gerät komplett in die Fänge des Besitzgötzen. Der Gegenstand des Menschlichen wird in einen Trabanten umgeformt, der nur noch um den Helios des Kapitals kreist.

Im Kordon der Konsultanten, die wissen, daß man in die Slums einen Sack Mehl und eine Tüte Koranverse schicken muß, wenn man das Recht auf Rebellion bröckeln sehen will, glaubt der gutbetuchte Tribun islamischer Wertkollektion, das größte Rad der kapitalistischen Maschinerie zu drehen. Gerechtigkeit verkommt bei ihm nicht als ein leeres Wort, er erfüllt sie, indem er im Hinterwald des Korsaks den Korsar beschatten läßt und die Horde der blenderischen Gierhälse um sich schart.

In den Gotteshäusern tönt die Hymne des Eigentums. Im grünen Milieu der Markt-Muselmanen vollzieht sich das biographische Event der Zivilgesellschaft. Nach dem Motto, daß Design Bewußtsein fabriziert, mischen sich die Töchter der Stoßgebet-Profiteure in die Sphäre der Gesamtheit ein. Ihr Auftreten ist demonstrativ und pocht auf die neoliberale Moderne der Privatisierung. Nach der Einführung der fundamental islamischen Rechtsprechung sehnen sie sich aber kaum. Denn die Scharia erkennt grundsätzlich das Recht auf Grundbesitz nicht an wie das Zinskapital. Daher handeln die Hodchas-Hadschis und Turban-Badschis mit dem Anlagekapital und simulieren unterderhand einen imaginären Börsengang. Sie fangen die Ersparnisse der Gläubigen mit dem Versprechen ab, ihnen fette Profite zugehen zu lassen. Das Ergebnis ist in der Regel die Pleite.

Den Gott haben sie vom Himmel geholt und in die Tasche gesteckt. In Form von Eigentumsurkunden oder Banknoten. Grenzenlos ist daher die Freiheit, den monotheistischen Trug als Universal-Tugend zu verkaufen. Die eingeschärfte Libertinage der Besitzlosen besteht darin, sich auf dem Sklavenmarkt anzubieten.

Die kapitalistische Zivilisation kann sich in allen Phasen des Lebens brüsten. Die westlichen Werte haben am Bosporus mehr Gewicht als zu Hause. Die Freiheit hat keine Grenzen, das Menschenleben keinen Wert.

Im Rückblick auf die Hohe Warte der allgewaltigen Wertezivilisation

Die Türkei soll dort bleiben, wohin sie gehört, meinen die Eurokraten. Sie ist geographisch durch einen Linealstrich am Bosporus vom christlichen Abendland, dem West-Rom, zu scheiden, das genügt. Hier beginnt die ganz andere Welt: Der islamische Orient, der Trikont überhaupt.

Abgeschottete Parallelgesellschaften hierzulande werden mit Anatolien gleichgesetzt. Das Auswärtige Amt brüstet sich als universeller Garant von Volksgruppen- und Heimatrechten. Die Otto-Kataloge kursieren allgegenwärtig. Die Ausforschungslawine beginnt allmählich zu rollen. Sozialstaatsbürger wählen die Kandidaten gegen die Erdenbürger. Der Prokurator als Datenarbeiter computerisiert die Wertschöpfungskette. Die Sentiment-Gurus der Aufklärungsgilde zucken die Schultern.

"Wo ist eine Position jenseits des turbokapitalistischen Durchmarsches, der seine Opfer immerhin nicht eliminiert, sondern alimentiert? Und jenseits des kulturkritischen Jammerns?" fragt Mathias Greffrath in "Frankfurter Rundschau" vom 31. August 2002. "Unser Zynismus besteht darin: dass wir es uns leisten, nach 200 Jahren öffentlicher Erziehung den Wanderarbeiter, das Dienstmädchen und den Tagelöhner wieder einzuführen und das dann noch die flexible, disponible, moderne Ich-AG zu nennen."

Die Arbeitsämter verwandeln sich in Aufsichtsstuben der Prokuratoren für die Unterschicht unter der Überschrift der Erwerbslosen. Sicher sind die Stellen des Leitpersonals mit Modernisierungsmomenten. Arbeit haben sie nicht mehr zu vermitteln, aber vieles mehr. Zum Beispiel "Erleichterung" der Auflagen für die Bezieher der Arbeitslosenhilfe über Achtundfünfzig. Man lädt sie ein, legt ihnen ein Papier vor zu unterschreiben. Dann kann jeder, der auf die Überweisung eines staatlichen Einkommens gemäß des minimalen Lebensunterhalters jährlich sechszehn Wochen statt drei wie bisher seine Freizeit im Ausland verbringen. In seiner Villa am Mittelmeer?

Mandatare, die von Wahl zu Wahl in den öffentlichen Räumen Stroh dreschen, sind so stark wie ihre Hinterzimmer-Atmosphäre, wo der Wind der Interessengemeinschaft weht. Das System der Demokratie, das die Minderheiten der Besitzaristokratie zu Mehrheiten verhilft, nähert sich seinem historischen Endpunkt zu. Im Aufwind befindet sich die Kumpanen-Society der Managers, der Funktionseliten, der Mediakratie und des Besitzstands-Publikums.

Auf den letzten Wahlmärkten zeigte sich die Ökonomie als absoluter Stammwert. Einigkeit erzielten alle Konkurrenten in der Überzeugung, alle Macht einzusetzen, damit die Kräfte der Laisser-aller zur Entfaltung kommen. Kein Wort vom Verzicht auf öffentliche Gewalt, wenn sie dafür plädieren, daß der Markt auch ein Stück Gerechtigkeit heimbringt.

Gelungen ist der Potentaten-Posse der oberen Mitte, die ein Stadium zwischen oben und unten darstellt und nicht zwischen links und rechts, wieder einmal der großartige Schlußspurt.

Die Bewältigung existenzieller Probleme der Menschheit wie Hunger, Verwüstung der Natur, Kollaps der Atmosphäre werden dem Prothesengott überlassen. Es findet die Entzivilisierung beängstigenden Ausmaßes statt. Das Imperium democraticum enthält sich des offenen Cyberterrorismus.

Der Terror wird den Schwachen als Mittel zugeschrieben. Aus den Slums wachse der terroristische Hass immer neu nach. Der monekratische Kumpan grölt täglich am Monitor. Oft aus nichtigstem Anlass heraus. Damit die Drohkulisse im Takt bleibt. Auf den Straßen spielt stündlich ein Gangsterstück.

Ein unheilschwangeres Konglomerat von Mächten ohne Zentrum ist das Imperium nicht, auch wenn das Phantom der Globalisierung überall zu sein scheint, aber nirgendwo festmachbar. Es steht unter nationalstaatlicher Verwaltung, auch das ökonomische Räderwerk, das die Welt immer gleicher macht und die Ungleichheit immer größer.

Eine-Welt-Vormacht und ihre Hilfssheriffs überheben sich mit der sendungsbewußten Überzeugung, Hüter der Zivilisation, Verteidiger der Demokratie, Verteiler der Menschenrechte und Bringer der Freiheit zu sein. Der "Terrorismus" in Zentralasien ermächtigte sie, als Guerilla gegen das sozialistische Experiment am Hindukusch zu intervenieren. Und die Terroristen galten solange als "heilige Krieger" des Marktes, wie sie das Geschäft besorgten. Im krampfhaften Versuch, den Armageddon einer fremden Kreatur zuzuschreiben, ergibt sich die globale Intelligentsia auch der Linkenlust.

Erschreckende Auswüchse des Systems erwachsen in den Ergüssen des nordamerikanischen Raubtierkapitalismus. Sein Generalissimus prahlt vor dem Meeting der uno-versalen Staaten über den Sieg seiner Rambos im Vierten Weltkrieg gegen die Terror-Rebellen, präsentiert das Leid der Kamikaze-Opfer, das er mehrfach nach dem alttestamentarischen Vers "Auge um Auge, Zahn um Zahn" rächt.

Eine Grundcharakteristika der Weltgewaltgötzen ist, daß sie selbst geleistete Unterschriften nur solange honorieren, wie sie diese als einträglich für das Hegemonial-Areal des globalen Zentrums ansehen. Despotisch haben sich Kapital und Information als liturgische Formeln durchgesetzt.

Verbreitet sich die Botschaft, daß die Marktdemokratie den Hungerturm in die Höhe trommelt, raufen sich die Klageweiber der Menschenrechte immer geräuschvoller die Haare.

Den Kapitalismus kann man mit einem Kraken oder einem riesigen Löschpapier vergleichen, der sich ausdehnt und die letzten Ecken der traditionellen Lebensarten aufsaugt, um die eroberten Erdenviertel mit Sextouristen und Menschenrechtsmakler, TV-Antennen und Blauhelm-Söldern zu besetzen. Der Stern dessen sinkt, wer nicht den Willen hat, sich dem Diktum des Marktes anzupassen. Das Abendland missioniert nicht mehr im Namen des All-Einen, sondern er kann gespenstisch die Geld- und Informationsströme emittieren, die über die gesamte Biosphäre hinwegfegen.

Einst begann dieses Abendland, wo die Seidenstraße endete - so in den Schwarzmeerhäfen am westlichen Fuße vom Kaukasus. Heute mustert es die gesamte Biosphäre als eigenes Dominium. Seine Architekten, die an Plänen basteln für ein Herrenhaus der Hochbegüterten mit Hinterhof für Untergebene, machen aus dem Abenteuer des Planeten eine Maschine zur Verwandlung des Vorläufigen ins Endgültige, des Relativen ins Absolute, des Zeitlichen ins Ewige.

Das von den Sittenwächtern der Humanität geübte Mäkeln bleibt dem Ballast des Imperiums verhaftet. Seine Neugestalter scheren sich wenig um den Niedergang der Lebenssphäre. Sie lehren zu kriechen, erheben sich über die Geplünderten. Und die Menschenrechtsmentoren mokieren sich in ihren Veranstaltungen über das große Elend.

Der Fundamental-Event, der die nachhaltige Entwicklung für den atmosphären Schutz charakterisiert, ist ein kleinbürgerlicher Idioten-Takt, der auf der breiten Strecke der kapitalistischen Verwüstung hinterher reitet.

Ground Zero heißt der Manhatten-Ort, dessen Bilder zwei Tage lang über Satelliten in die Wohnzimmer der Welt flossen. Mozarts Requiem spielte im Hintergrund, um der ganzen Inszenierung einen sentimentalen Schmelz zu verleihen. Das Parkett-Publikum wurde zu Laienkulissen umfunktioniert, Feuermänner in Anti-Herostratus-Heroen, Kriegs-Claqueure in Planetoid-Patrouillen, Reporter in Parolen-Philosophen.

Die Sittlichkeit der Hypermoral überwog den ersten Jahrestag vom Elften des schwarzen Septembers. Zu erleben hatte das satte Publikum der imperialistischen Hemisphäre das Trauer-Theater mit hinterwäldlerischer Gefühlsseligkeit. Ein Publikum, das sich dem Terror des simulierten Antiterrors hingibt und keine Notiz davon nimmt, welcher Schmerz die Erde überhaupt erträgt.

Der Terror des Antiterror-Theaters gegen den Tartarus artikuliert sich wirkmächtig als Normalität des demokratischen Mündels. Es hat nur noch seinem Vormund zu gefallen, und seine Autonomie als Menge gerät ins völlige Schlingern beim Anbruch der Abenddämmerung. Die Wertetrias der bürgerlichen Revolution wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit bröckeln durch den Einsatz der High-Tech-Kommandos für den "Enduring Freedom" in den Orkus. Die Cyber-Piraterie unter "Stars and Stripes" hinterläßt tiefe Spuren der Verwüstung.

Im Rückblick auf das Substrat der Bravour-Substitute für Katastrophenmodelle

Der monetäre Lärm übertönt jeden Appell vom sozialen Schwarm für kollektive Einfachheit. Abgelöst hat er die Zukunft als Ort der Utopie: Gemeineigentum an Natur und Kapitalanlagen. Der Ökopaxen-Pakt schleicht mit einem Knebelvertrag in alle Gedankensplitter, in dessen Mittelpunkt der Schutz des Humus vor den Gegenspielern der privaten Enteignung steht. Und der Klagegesang über die immer wieder drohende Rebellion der Besitzlosen.

Noch unberührt vom Bazillus der Sozialviertel in den expandierenden Megadörfer bleiben die Start-up-Bohemiens. Die Aufklärungsartisten wachen vor dem Dunkel, hinter dem das wahre Warengehalt der westlichen Emanzipation steckt. Was tun eigentlich die Heerscharen des Berufstandes Entwicklungshilfe, der christlichen Erdenschützer? Diese neuen Sahibs der Wilden? Eine Art Sonder-Söldner im Reklame-Dienst der kapitalistischen Verwertung? In den Zwanzig-Uhr-Nachrichten erfährt man über den drohenden Hungertod von fünfzehn Millionen Afrikanern. Es folgt eine Reportage über Billigurlaub in der Wildnis, in einem Hotel mit zwei Swimmingpools. Das privatisierte Wasser wird hier für den Badespaß der Highlife-Society verbraucht. Hungertod durch Wassermangel lautet der Kommentar.

Missionare des weißen Kreuzes interessieren sich für die Missionierten nur soweit, als sie zu gläubigen Anhänger ihrer Selbst werden. Sie übertrugen an den Süden Hunderte von Jahren die Biblia pauperum für rassistische Techniken der privaten Aneignung und protegierten die Beutejäger, um die Wilden an die Lebensart des Übermenschentums zu gewöhnen. Entwicklungshelfer operierten ein halbes Jahrhundert mit den Waffen des Kulturalismus, zeigten den kolonisierten Kollektiven den Weg in die Arena ethno-kultureller Begegnungen unter dem Kampanile gewaltbetonter Göttlichkeit. Die NGOs tun sich bisweilen klammheimlich damit hervor, die Gerechtigkeit der Überlegenen in den Niederungen der Erde zu fundieren, verteilen gelegentlich Brosamen, um die Gerechtigkeitswaage der Besitzaristokratie gegenüber der Menschenherde am Hungerturm aufrechtzuerhalten. Daß sie sich als Statthalter des Kapitalismus und Fackelträger der Aufklärung etablieren, weist auf keine neue Erkenntnis hin. Wohin aber die weiße Lokomotive der Zivilisation führt, weiß man nicht. Ob sie kollabiert, ob die Djangos vom Pentagon am Potomac und ihre Kompagnons an der Spree, Themse und Seine einen solchen Kollaps mit einem nächsten High-Tech-Feuerwerk dementieren werden, muß noch in Erfahrung gebracht werden.

Auf dem Menschenmarkt handeln die Menschenrechtsmakler als Parlamentäre und Agenten der imperialistischen Zentren. Als Anwälte der Unterbemittelten schwingen sich die NGOs auf, trommeln global, rummeln lokal, trauern mit Wehmut dem missionarischen Experiment nach. Sie handeln als T‹cherons des Menschenrechtsimperiums mit gutem Gewissen und gelten als gute Errungenschaften der Beutezüge, wechseln vom Wachhund der randalieren Despoten zum Schoßhund der Demokraten.

Hervorgegangen aus den sozialen Widerständen der siebziger und achtziger Jahre im vorigen Jahrhundert bewegen sie sich im Gestrüpp der Gipfel, wo sie dem sozialen Rumoren begegnen und es dann verraten. Staatliche Aufgaben werden an sie delegiert, um den Rasenmäher der Privatisierung zu beschleunigen. Sie repräsentieren eine bestimmte Klientel aus dem Hohlraum des virtuellen Kapitals. Sie können ins Rollen bringen, daß Habitus und Normen der nordisch weißen Mittelschichten, aus denen sie kommen, unverkennbar auf allen anderen des Südens ausstrahlen - im Herr-Knecht-Verhältnis. Sie umkreisen unentwegt den Prozeß der Besitzvermehrung und interpretieren ihn mit Analogien aus dem abendländischen Universums des Übermenschentums.

Aus dem bunten Haufen der Non-Government-Order ist inzwischen eine Profitruppe rund um den weltumspannenden Regenbogen geworden. Einsatzbereit im Hinterzimmer ersetzen sie die Markedenter. Sie sind entweder in die Netzwerke der superimperialistischen Autokratie, von der sie auch ausgehalten werden, integriert oder ihnen unterworfen. Ihre Werbetrommel der Gerechtigkeit entpuppt sich als religiös inspirierter Kommunitarismus.

Ein illustratives Beispiel der ruhmbegierigen NGO-Nomenklatur ist neuerdings die ATTAC, die in die konzern-kapitalistischen Zentren die Freudenbotschaft der friedlichen Zukunft überbringt: Villenviertel frei von Unterbemittelten, in denen die High-Society unbelästigt von Pöbel und Fechtbruder ihr Drohnen-Dasein genießen kann.

ATTAC-Aktivisten wollen den "Verdammten dieser Erde" einen winzigen Teil des Reichtums abtreten, um sie davon abzuhalten, daß sie aufmurren. Immerhin präsentiert sich das Bündnis als ein Schmelztiegel aus Gruppen mit Bewegungselementen, verfügt über 80 000 Mitglieder in 45 Ländern. Ein Zusammenschluß des zivilgesellschaftlichen Reformismus aus neolinken Intellektuellen, humanistischen Christen, Gewerkschaftsbürokratien sowie den Apologeten des Marktes mit menschlichem Antlitz und antikapitalistischen Leidenschaften. Hinter der losen und pluralistischen "Vernetzung" verstecken sich in der Regel informelle hierarchische Strukturen mit professionellen Akteuren der Mediengesellschaft.

Mit dem "Cordon sanitaire" gegen die Galeerenhäftlinge und Unterworfenen, Enteigneten und Leibeigenen, Herolde und Heloten der Globalisierung drückt sich zugleich die Primitivität des Zentrums aus. Seine Häuptlinge präsentieren eine Entwicklung, die sich zur Tragödie auswächst. Die Simulation des Universalen hat die Denkzentrale des Menschlichen völlig erfaßt, damit die gesellschaftlichen Segmente und sozialen Aspekte.

Prämierte Illustrationen der integrationalen Prostitution

Menschenrechtsverse werden nicht falsch, sondern instrumental austariert - auch vom Berufstand der integrativen Sozialarbeit in den imperialistischen Metropolen. Die Über-Träger des Helfersyndroms haben hier mittlerweile neben dem Mitleidseffekt die gleiche Vaterländerrhetorik im Gepäck wie ihre intellektuellen Kumpanen.

Der weiße Übermensch weist auf den Weg in den Ausblick mit Pulverdampf über Schützengräben hin. Bemerkenswert ist sein entwickeltes Weltbild über die postmodernen Segmente der metropolitanen Gesellschaften. Damit tritt er jenem Progreß entgegen, mit dem die Innungsprotagonisten der integrationalen Illustrationen das breite Publikum beschäftigen.

Auch die Vokabel "Integration" entpuppte sich längst als Werbespot, mit dem der Weitblick auf die morgenbunte Gesellschaftsformation mit kosmopolitischen Bausteinen mehr und mehr vernebelt wird. An die Wand wurde diese Lebenslüge von erkünstelten Paragraphen aus der rot-grünen Reformwerkstatt nicht gedrückt. Ihr Politikum zielt vielmehr darauf ab, die Eigendynamik des Migrationsgeschehens abzustreiten und es der Reparatur-Routine der demographischen Engpässe unterzuordnen.

In kümmerlichen Gedankengängen wird das Groß-D als Einwanderungsland sichtbar - nach der Formel: Nützliche Heloten rein, lästige Proleten raus! Alle sind Gäste, die man duldet, solange sie sich anständig betragen. Erlaubt sind auch ein paar Minaretten als exotisches Beiwerk.

Als eine Version der migrantischen Prostitution taucht die Eherechts-Wanderung auf. Nicht nur sind hier die Frauen die Huren, sondern auch die Männer. Wie behandeln deutsche Frauen, die von einem Sonnenbadeurlaub mit brünetten Männern heimkehren, ihre Partner? Oder junge Türkinnen, die ihre Männer lieber im anatolischen Hochland suchen und sie über das Schlupfloch Heirat zu sich holen?

Die Trustburg Europa nährt den Boden der Lager, in die Millionen von Fremdlingen verfrachtet werden. In die Horror-Slums lassen sie sich nicht zurückschieben und auch nicht in "Ausreisezentren" konzentrieren. Sie tauchen unter. Doch sie sind im Alltag - in den Gaststätten, auf den Äckern, bei den Reinigungs- und Pflegekolonnen.

Die Faktionen und Exponenten des Neorassismus, die Trommler des zeitnahen Freibeutertums, werden in das Leitwerk der Einzelstaaten geführt, als "Populisten" vergegenständlicht. Sie mobilisieren die Pleps gegen eigene Interessen, leisten den entscheidenden Beitrag zur Vergötterung des Geldes, zum Wiederaufbau der Kastenpyramide.

Der rechte Rand brüskiert die globale Unterschicht, die NeuMitte brüstet sich mit ihrer Humanität für Plutokratie, die Zivilgesellschaft predigt Toleranz für geknechtete Autarkie.

Noch fruchtbarer wird der kapitale Boden

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